Erbach. In der Mitte der Eingangstür zum ehemaligen Gasthaus 'Zum Bären' im Erbacher Städtel strebt ein goldmetallener Bär gleichsam dem Haus zu, welches seinen Namen trägt. Nachdem das Traditionsgasthaus irgendwann seine Pforte geschlossen hatte, öffnete es die evangelische Kirchengemeinde 2010 wieder. Sie hatte es angemietet und nutzte das Haus vielseitig, was auch insofern praktisch war, weil sich ihr Hauptdomizil, die evangelische Stadtkirche, genau gegenüber befindet. "Aus der Kirche raus und in den Bären rein", das war so eine Devise: etwa nach dem Gottesdienst zum Kirchenkaffee. "Wir haben den Bären auch angeboten beispielsweise für Betriebsfeiern", erzählt Pfarrer Bert Rothermel. Da war dann allerdings Bedingung, dass es mit einer kurzen Andacht in der Stadtkirche begann - worauf viele sich gern einließen. Freitagsabends öffnete der Bär aber auch 'einfach so', wie das Angebot denn auch hieß; außerdem trafen sich kirchliche Gruppen und Kreise hier oder etwa die Arbeitsloseninitiative Kompass.
2023 lief der Pachtvertrag mit dem Eigentümer aus. "Der Betrieb hatte zu dieser Zeit deutlich nachgelassen", erinnert sich Kirchenvorstandsvorsitzende Regina Stellwag. Vor allem Corona hatte viel lahmgelegt. Hinzu kam, dass das 'Bären-Team', also die Gruppe, die sich um den Betrieb hier kümmerte, sehr viel kleiner geworden war. Und schließlich: Im Rahmen von 'ekhn2030", des Zukunftsprozesses der Landeskirche, war unklar, wie es mit den kircheneigenen Gebäuden weitergehen würde. Dazu zählt außer der Stadtkirche unter anderem das Gemeindehaus in der Straße Am Pfarrgarten. "Genau das ist aber künftig zu groß", erzählt die KV-Vorsitzende, steht doch jeder der seitherigen Gemeinden in den dann größeren Nachbarschaftsräumen nur eine begrenzte Versammlungsfläche zu. "Da kam der Bären wieder in den Blick", so Stellwag. Also entschloss sich die Kirchengemeinde, das ehemalige Gasthaus zu kaufen und dafür das Gemeindehaus zu verkaufen.
Vorfreude auf Wiedereröffnung
Noch aber kann man dem Bären auf der Tür nicht wieder folgen, denn eine Weile noch wird die Pforte geschlossen bleiben. "Wir werden oft angesprochen in der Stadt", berichtet Pfarrer Bert Rothermel. "Viele freuen sich und würden das Haus gerne sofort wiedereröffnet sehen." Aber vorab muss noch einiges renoviert und manches ergänzt und dem heutigen Stand angepasst werden: eine barrierefreie Toilette etwa und eine moderne Küche. Die Wohnung im Obergeschoss soll einen externen Zugang bekommen; momentan ist sie nur durch Haupteingang und Gastraum erreichbar. - Zudem wird die Gemeinde ab Anfang kommenden Jahres noch eine weitere Großbaustelle haben, genau gegenüber. Dann beginnt nämlich die Innenrenovierung der Stadtkirche.
"Kirche geht weiter, geht andere Wege"
"Aus meiner Sicht ist das eine gute Lösung", sagt Pfarrer Rothermel. Der Betrieb bereichere die Stadt, die Kirche sei hier, auch über das Gotteshaus hinaus, mittendrin und direkt bei den Menschen. "Kirche geht weiter, geht andere Wege".
Immerhin war die Bären-Idee und das, was dort schon stattgefunden hatte, ein Grund für Philipp Raekow, der seit Oktober hier Pfarrer ist, sich für Erbach zu entscheiden. Auch er sieht es als Stärke an, wenn die Kirche auf diese Weise - und anders als gewohnt - mitten unter den Menschen ist, auf so vielfältige Weise und gerne auch gastronomisch.
Zapfhahn, Tresen, Tische, Stühle: Das Gasthaus-Inventar ist noch vollständig vorhanden, beim Betreten des Bären gewinnt man den Eindruck, bis gestern abend sei hier noch ausgeschenkt worden und die letzten Gäste nach Mitternacht gegangen. Auf jeden Fall kann es hier auch wieder eine Form der Bewirtung geben, freilich nicht dauerhaft und als Selbstzweck, sondern im Rahmen von "Miteinander und Begegnung", wie Pfarrer Raekow es formuliert. Ein Treffpunkt für alle solle der Bär werden: sowohl für klassische Gemeindearbeit wie Konfirmandenunterricht und Gruppen als auch für Themenabende, Gespräche, Lesungen, Musik und Kabarett - Kleinkunst eben. Auch die Vermietung an Gäste ist dann wieder möglich, weiterhin mit dem Leitgedanken: "Man muss aus der Kirche kommen."
"Große Kraftanstrengung"
Gewiss werde es "eine große Kraftanstrengung werden, das alles herzurichten, vorzubereiten, anzubieten und zu begleiten", sagt Pfarrer Raekow. Und Kollege Rothermel ergänzt: "Wir wünschen uns mehr Anerkennung solch innovativer Arbeit." Gedacht ist das Konzept als Bestandteil des künftigen 'Nachbarschaftsraums Mitte' des Dekanats Odenwald, also der Gesamtkirchengemeinde, die zu Beginn des Jahres 2027 aus den jetzigen evangelischen Kirchengemeinden Erbach, Michelstadt, Würzberg, Weiten-Gesäß, Steinbach und Vielbrunn entsteht.
"Da steppt der Bär", ist eine Redewendung, die besagt: "Da ist etwas los." Etwas wird es noch dauern, bis Meister Petz in seinem ehemaligen Gasthaus im übertragenen Sinn wieder das Tanzbein schwingt. Und nicht immer muss es dann so lebendig zugehen, dass Steppen das passende Sinnbild ist. Aber bald kann man sich wieder so zielstrebig wie der goldene Bär auf der Eingangstür auf den Weg machen.
Bernhard Bergmann
7.12.2025